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30. Januar 2015

TRM #2: Was ist Team Resource Management?

Kaum ist ein Jahr vergangen, kommt schon der zweite Teil ;) Team Resource Management – Was ist das, um was geht es? Im Gegensatz zu klassischen Team- und Kommunikationstrainings beschäftigen sich TRM Trainings auch viel mit Fehlerverhalten und Entscheidungsdindung. Also mit der Frage: Wie funktioniert eigentlich ein Mensch? Auch wenn TRM ursprünglich aus der Luftfahrt entwickelt wurde (siehe Teil 1), bietet es eine solides Wissen über menschliches Verhalten und Zusammenwirken für alle Teile des Lebens. Später werde ich Fallbeispiele aus der Luftfahrt diskutieren, die dort erkennbaren Verhaltensweisen und Fehlverhalten lassen sich intuitiv auf das Berufsleben übertragen. In der Fliegerei wie auch in der Industrie hängt doch in vielen Situationen die Qualität von Entscheidungen von dem Verhalten des Kapitäns bzw. des Managers ab. In diesem Artikel möchte ich einen Überblick über die Themen in der TRM-Welt geben, und einen Versuch unternehmen, die Zusammenhänge darzustellen.

OK, zunächst mal eine Liste von Schlagworten, die mir zum Thema TRM einfallen. Die Begriffe kommen alle aus dem englischen, ich schreibe sie in Klammer immer dahinter, denn ich weiß nicht, ob ich die deutschen Bezeichnungen im Folgenden durchhalten kann. ;)

  • Entscheidungsfindung (decision making)
  • Menschliches Fehlverhalten (human error)
  • Situationsbewusstsein (situational awareness)
  • Informationsverarbeitung (information acquisition)
  • Automatisierung (automation)
  • Übermüdung (fatigue)
  • Kommunikation (communication)
  • Stress (stress)
  • Zusammenarbeit (team co-operation)
  • Regelung der Auslastung (workload management)
  • Verhalten (attitudes)
  • Prozesseinhaltung (process adherence)
  • Umgebung (environment)

Ganz schön viel. Und ganz schön viel unklar? Ich werde die Begriffe im folgenden kurz erklären. Den wichtigen Themen werde ich einen eigenen Artikel spendieren (keine Angst, nicht für alle ;)).

Flugzeug Crew
Ein Team ist mehr als die Summe seiner Teile – wenn man weiß wie ein Team funktioniert.(Bild: Wikimedia Commons, Author: Fly Level Flight School)

Entscheidungsfindung

Entscheidungsfindung ist ein sehr großes Thema und bildet den eigentlichen Kern von TRM. Alle anderen oben genannten Themen mögen vielleicht interessant sein, haben jedoch keine direkten Auswirkungen auf die Sicherheit von Flugzeugen oder den Erfolg von Unternehmen. Alles was wir wahrnehmen können sind Entscheidungen. Im Nachgang können wir meist auch beurteilen ob sie gut oder schlecht waren. Indirekt haben die anderen Themen sehr wohl Auswirkungen, denn sie beeinflussen die Qualität von Entscheidungen.

TRM betrachtet hier wie Entscheidungen zusammenkommen, welche Kognitiven Fehlleistungen das menschliche Gehirn standardmäßig zu Stande bekommt, und was wir über mentale Modelle wissen sollten. Mehr als genug Stoff für einen eigenen Artikel zu diesem Thema, für den Moment ist es nur wichtig zu wissen: Entscheidungsfindung ist das einzige Thema das direkte Auswirkungen auf Flugzeuge und Unternehmen hat.

Human Error

“Fehlverhalten” ist eine unglückliche Schätzung, hier geht es weniger um bewußtes Fehlverhalten (“violations”), mehr um die unzulänglichkeit unseres Gehirns. Human Error hat natürlich eine große Auswirkung auf die Entscheidungsfindung.

Situational Awareness

Auch hier verwende ich lieber den englischen Begriff, für den es keine brauchbare Übersetzung gibt. Situational Awareness bedeutet das Bewusstsein der eigenen Situation hinsichtlich Raum, Zeit und der Auswirkungen des eigenen Handelns für die Zukunft. In der Fliegerei geht es hier um mentale Modelle, vor allem zur Lage im Raum (navigatorisches Bewusstsein), aber auch zum Zustand der Technik oder zu Themen im Umfeld des Flugbetriebs. So griffig Situational Awareness im Cockpit ist, so schwierig ist es in die Industrie zu übertragen, weil vielen Situationen der Zeitdruck und die unmittelbare Veränderung bei Handlungen aus dem Cockpit fehlt. Situational Awareness in engeren Sinn ist vielleicht ein Thema für Programmierer (welche Codestellen sind betroffen, welche Auswirkungen hat mein Handeln?), viel interessanter ist es aber, die Analogie auf den sozialen Kontext in Unternehmen zu übertragen: Weiß ich als Manager über die sozialen Zusammenhänge in meinem Einflußbereich Bescheid, habe ich eine Vorstellung welche Auswirkungen mein Handeln auf dieses Gefüge hat? Ist mir bewusst, mit welchen Kleinigkeiten ich Motivation schaffe oder in Sekunden zerstöre?

Informationsverarbeitung

Dieses Thema hängt eng mit dem Thema “Human Error” zusammen. Bereits bei der Verarbeitung von Reizen im Gehirn werden Daten verfälscht oder ausgefiltert. Bei Piloten, Entwicklern und Managern. Ich werde in dem Artikel zur Entshceidungsfindung genauer darauf eingehen.

Automatisierung

Die Arbeit im Cockpit wird immer mehr automatisiert. Interessanterweise schafft dies neue Probleme für die Flugsicherheit, denn mit zunehmendem Automatisierungsgrad fällt es den Piloten immer schwerer, die Computer vor Ihnen ausreichend zu überwachen. Langeweile wird zum Sicherheitsrisiko. In der Softwareentwicklung können Analogien zur automatischen Codegenerierung (z.B. mit Matlab/Simulink) gezogen werden. Bei klassischen Management-Aufgaben ist dieser Aspekt weniger prominent.

Übermüdung

Übermüdung ist eines der großen Probleme in der Luftfahrt. In regelmäßigen Trainings werden Crews über die Probleme aufgeklärt um prophylaktisch und reaktiv mit diesem Problem umgehen zu können. Doch wo in der Industrie wird dies thematisiert? Welche Führungskraft kennt sich mit Schlafzyklen und der Kumulierung von Schlafmangel aus und tauscht sich darüber mit seinen Mitarbeitern aus?

Kommunikation

Die Bedeutung von Kommunikation wird oft unterschätzt. Barbara Kanki nennt im Buch “Crew Resource Management” fünf Funktionen der Kommunikation im Berufsleben:

  1. Informationsaustausch
  2. Aufbau von Beziehungen
  3. Verhalten vorhersagbar machen
  4. Überwachung von Aufgaben / Situationsbewusstsein
  5. Management von Team und Arbeitsverteilung

So ist es auch nicht verwunderlich, dass mehrere Studien in der Luftfahrt einen direkten Zusammenhang zwischen Häufigkeit der Kommunikation und der Teamperformance herausgefunden haben. Im Gegensatz zu der Industrie würde daher in der Luftfahrt keiner auf die Idee kommen, Teammitglieder räumlich zu trennen.

Stress

Für den einen Heldentum, für den anderen ein Sicherheitsrisiko. Stress steigert die Leistungsfähigkeit, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, dann bricht die Leistung eines Menschen schlagartig zusammen. Das aktuelle Stresslevel hat dadurch einen direkten Einfluss auf Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung. Auch das Management von Stress in der Besatzung ist Aufgabe eines Flugkapitäns. Die Verantwortung für den Stresslevel einzelner Mitarbeiter ist in der Industrie jedoch nicht jedem Manager klar.

Teamwork

Nicht gerade ein spektakulärer Punkt: “Teamwork”, eher das Produkt aus anderen Faktoren. Dennoch hat das abstrakte Thema “Teamwork” Auswirkungen auf Entscheidungen und Workload-Management. Und es ist eine Ebene, die gemessen werden kann. Cockpit-Crews werden regelmässig nach dem NOTECHS-Schema (NOn TECHnical Skills) assessiert, eine einheitliche Basis für die Bewertung von Teamwork und Leadership.

Workload Management

Wie oben beschrieben, kann die Überlastung eines Teammitglieds zu dessen Ausfall führen. Für ein performantes Team kann also “immer mehr, immer mehr” keine Devise sein. Workload-Management ist Aufgabe des Leaders, aber die Teammitglieder müssen ihn unterstützen und offen über ihr Stresslevel sprechen. In der Industrie ist eine solche Offenheit unüblich und oft nicht erwünscht.

Verhalten

TRM Trainings versuchen das Verhalten der Teilnehmer zu verändern. Keine Angst, das sind keine Manipulationstechniken. TRM unterscheidet zwischen Charakter (darf jeder behalten ;)) und Verhalten (sollte im Sinne des TRM verändert werden). Natürlich schlägt der Charakter auf das Verhalten durch, dier haben die Luftfahrtpsychologen ein paar typische Verhaltensmuster (Attitudes) herausgearbeitet. Ziel ist, dass Teams diese Muster bei sich und bei anderen erkennen können und idealerweise dann bewusst Ihr Verhalten anpassen können.

Prozesseinhaltung

Prozesseinhaltung hat auch mit Verhalten zu tun. Beeinflusst Prozesseinhaltung das Verhalten, oder beeinflusst das Verhalten die Prozesseinhaltung? Auf jeden Fall bietet Prozesseinhaltung in der Summe aller Entscheidungen und Vorgänge den besseren Weg – gesetzt der Fall, die Prozesse sind sinnvoll und umsetzbar. Auch hier ein Punkt, bei dem es sich lohnt einen Blick zur Luftfahrt zu werfen. Ein aktives Risiko- und Sicherheitsmanagement-System liefert Input für die Prozessgestaltung. Die Prozesse leben und werden gelebt.

Umgebung

Die Auswirkungen von Lärm, Vibration und Temperatur auf das menschliche Leistungsvermögen wir oft unterschätzt. Naja Lärm und Vibration ist bei Büro-Arbeitsplätzen oft weniger das Thema als ganz vorne im Airliner. Aber wie oft habe ich schon Entwicklungsabteilungen gesehen, die in nicht klimatisierten Büros im Sommer geschwitzt haben? Der Performance-Einbruch ist leider sehr schwer zu messen, ansonsten konnte schnell eine ROI-Berechnung für die Investition in eine Klimaanlage aufgestellt werden.

Zusammenhänge

Über die Zusammenhänge habe ich in den oben stehenden Abschnitten schon einige Anmerkungen gemacht. Hier nun der Versuch, das in einer Grafik darzustellen. Die Pfeile bedueten: “…hat Auswirkungen auf…”

Zusammenhänge im TRM
Zusammenhänge im TRM

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