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1. November 2014

Retrospektive zur Manage Agile 2014

Dieses Jahr war ich nicht mit Vorträgen, sondern mit zwei Workshops auf der Manage Agile in Berlin, das ließ mir etwas Zeit die zahlreich angebotenen Vorträge zu besuchen, auf der Suche nach gemeinsamen Aussagen und neuen Trends. Das für mich überraschende Fazit war: Agilität braucht Führung. Ein Statement, das den überzeugten Agilisten Bauchweh bereitet, das aber immer wieder in den Erfahrungsberichten durchgeschimmert ist und das auch mein Lieblingsthema ist (getriggert durch das Teamwork in der Fliegerei). Vielleicht sieht diese Führung anders aus, als das was wir beim Lesen dieser Zeilen damit verbinden. Ha, da bin ich schon wieder bei einem weiteren Lieblingsthema von mir: mentale Modelle.

Interessiert? Dann mal der Reihe nach:

26.10.2014, Anreise zur Manage Agile 2014

Mit Intersky bin ich schnell vom Allgäu in Tegel, doch dann kommt der spannende Teil. Da das Tagungshotel mit dem ÖPNV nicht zu erreichen ist, fahre ich mit Zug und Bahn nach Schönefeld, dort stehen ausreichend (ca. 200) Taxis und zack ins Tagungshotel am südlichen Rand von Berlin. Dort angekommen, bastel ich in der Havannah-Bar noch ein wenig an meinem Workshop und stimme mich mit Gerhard Versteegen und dem Team von HLMC auf die kommenden vier Tage ein. Das Hotel liegt zwar in der Pampa, aber ich finde das Retro-Ambiente wirklich cool.

Erkenntnis des Tages: Die Reisezeit von Friedrichshafen nach Tegel ist kürzer als jene der anschließenden Reise quer durch Berlin. Es lebe die Luftfahrt.

Ankunft in Tegel, Sonntag Abend

Ankunft in Tegel, Sonntag Abend

 

27.10.2014, Workshop-Tag 1: Team Resource Management

Es geht um Forschungsergebnisse und Vorgehensweisen von Teams in Luft- und Raumfahrt und den Transfer auf agile Teams. Viele Studien aus der Luftfahrt stützen die Forderungen der Agilisten, der Unterschied besteht in dem Lösungsansatz der Führung: Cockpit-Hierarchie gegen hierarchielose Teams. Die Schlussfolgerung: Die Luftfahrt-Industrie hat die Agilität verschlafen, oder eine Team-Hierarchie hält ein Team in Stresssituationen eher handlungsfähig.

Methodisch habe ich den Workshop für diese Konferenz umgestellt und habe den Transfer der Erkenntnisse auf Software-Teams nicht mehr explizit vorgenommen sondern den Teilnehmern überlassen. Und tatsächlich fällt es trotz der anderen Branche leicht, Erkenntnisse aus Studien und vorgestellte Beispiele auf den eigenen Kontext zu übertragen. Nicht jeder Teilnehmer findet dieselben Stellen interessant, aber jeder konnte doch viel von dem Gezeigten und Erklärten für sich, sein Verhalten und seine Organisation mitnehmen. Zum Glück habe ich bei keinem der Anwesenden Flugangst erzeugt, trotz meiner  teilweise erschreckenden Beispiele :). Die Faszination des Themas Fliegerei war stärker.

HLMC hat, um eine bessere Netzwerk-Plattform zu ermöglichen, spontan ein Abendessen für alle Anwesenden organisiert, so dass die gerade entstandene Gemeinschaft beisammen bleiben konnte. Später am Abend ist dann auch mein Trainer-Kollege Sebastian Schneider angereist, und wir hatten einen schönen Abend zusammen mit den schon eingetroffenen Standbesatzungen unserer Freunde-und-auch-ein-bisschen-Wettbewerber von oose und HOOD. Ende des Abends: Havannah-Bar. Der Community-Gedanke lebt.

Erkenntnis des Tages: Der Transfer von der Fliegerei in die Entwicklung ist nicht so wichtig, wie der Transfer auf die jeweilige Situation der Teilnehmer. Und der kann nur von den Teilnehmern geleistet werden.

Hotel Van der Valk Berlin Brandenburg
Hotel Van der Valk Berlin Brandenburg

 

28.10.2014, Vortragstag 1

Ich sehe mir einige Vorträge an und erlebe schon eine gewisse Streuung an inhaltlicher Tiefe und Vortragsqualität. Zumindest die Streuung in erstgenanntem Attribut ist zwar für den Einzelnen eventuell anstrengend, aber wichtig für die Konferenz, da sie doch ein breites Spektrum anspricht. Vielleicht wäre hier eine Einordnung der Vorträge in verschiedene Zielgruppen-Stufen (Einsteiger – Fortgeschritten – Profis) hilfreich. Für mich absolutes Highlight des ersten Tages war der letzte Slot mit Bernd Oesterreich von oose, der die Agilisierung seiner Organisation dargestellt hat, inklusive aller Irrungen und Wirrungen. Und besonders beeindruckend: Bernd und seine Mitgesellschafter haben Ihr Wertesystem auch in der Rechtsform abgebildet und die oose von einer GmbH in eine Genossenschaft umgewandelt. Das Management wird von den Mitgliedern (Mitarbeitern) auf Zeit gewählt. Das habe ich in dieser Konsequenz noch nicht gesehen. Doch auch auf Bernds agiler Einsteigerstufe könnten sich viele Beratungsfirmen (Namen tun nichts zur Sache :)) ein paar Scheiben abschneiden: Laut Bernd der einfachste Schritt war es, alle Demotivatoren zu beseitigen, was für ihn bedeutet:

  • Abschaffung von Zielvorgaben für die Mitarbeiter
  • Abschaffung von Bonussystemen
  • Reisezeit ist Arbeitszeit. Komplett.
  • Ausbezahlen oder Abgleiten aller Überstunden
  • Abschaffung der Zeiterfassung (Mitarbeiter mailen halbjährlich ihren geschätzten Stand an Überstunden und bekommen das ausbezahlt)
  • Vom Unternehmen bezahlte Feiern und Ausflüge

Für Bernd laut seiner Aussage der erste und einfachste Schritt, für andere Unternehmen unvorstellbar. Der Unterschied in meinen Augen: Vertrauen oder Misstrauen?

Nach dem Vortrag gab es noch interaktive Sessions, ein umfangreiches Abendessen, einen lustigen Abend mit Poker, Roulette und Blackjack, sowie anschließend (der geneigte Leser wird es erahnen): Havannah Bar.

Erkenntnis des Tages: Agile Unternehmen existieren. Sie folgen aber keinem Kochrezept, sondern entdecken mit einem Satz von agilen Prinzipien Ihren eigenen Weg. Jeden Tag.

Vorbereitung des Workshops "Goldratts Denkprozesse in der Retrospektive"
Vorbereitung des Workshops “Goldratts Denkprozesse in der Retrospektive” im Hotelzimmer

 

29.10.2014, Vortragstag 2:

Bei Sebastian und mir tritt eine leichte Erschöpfung ein, das Angebot an Vorträgen ist wirklich riesig, 4 parallele Tracks, 9-10 Slots pro Tag. Wir lassen einige Slots aus. Die beiden Keynotes sind jedoch bei mir hängengeblieben: Johannes Mainusch (e-Post) und Anja Mentrup (Otto)) stellten die Frage: “Warum” als zentrales Führungsinstrument vor. Dasselbe hat Udo Wiegärtner am Vortag in seiner Keynote aufgegriffen und auch in anderen Vorträgen ist es immer wieder aufgetaucht. Die Warum-Frage ist ja auch in den drei Pfeilern der Motivation von Daniel Pink enthalten: Autonomy, Mastery, Purpose. Bisher hat sich die Agiliät überwiegend um Autonomy und Mastery gekümmert, jetzt rückt auch der Purpose in den Fokus der Führunskonzepte. Nebenbei war diese Keynote so chaotisch und lustig, dass viele Teilnehmer Tränen glacht haben. Andere empfanden hingegen es als sehr anstrengend, dass man immer das Gefühl hatte die Referenten vergessen Ihr Konzept und der ganze Vortrag fällt gleich in sich zusammen. :) Ich fand es erfrischend anders.

Ulf Brandes hält zum Abschluss eine sehr interessante Keynote über Schwarmintelligenz und emergente Führung. Das Thema Führung hat sich beide Tage irgendwie überall durchgezogen. In vielen Vorträgen und Diskussionen schimmer durch, dass Agilität Führung benötigt. Ha, das deckt sich mit den Erfahrungen aus den Cockpit-Teams. Nur in der Agilität wird Führung nicht durch Hierarchien definiert, sondern entsteht aus der Situation heraus.

Spannend war auch in beiden Keynotes das Beispiel des Schleimpilzes, der in einem Experiment (durch itereativ inkrementelles Vorgehen in einem einfachen Regelsatz) das Verkehrsnetz von Tokyo besser planen konnte als die Stadtplaner das geschafft haben.

Abends dann: Falsch geraten, keine Bar, früh ins Bett (vgl. Erschöpfung).

Erkenntiss des Tages: Sag ich doch: Agilität braucht Führung, Führung muss die Frage nach dem “Warum” beantworten. Und ich muss mal was über Schleimpilze lesen.

 

30.10.2014, Workshoptag 2: Goldratts Denkprozesse in der Retrospektive

Sebastian und ich führen den Workshop zu Goldratts Denkprozessen durch. Nach unseren Erfahrungen tun sich Einsteiger in das Thema oft schwer aus der Theorie direkt in die Praxis zu gehen. Daher führen wir heute zu zweit an einem einfachen Beispiel live den Aufbau eines Gegenwartbaums (Current Reality Tree, CRT) durch, was bei den Teilnehmern sehr gut ankommt, vor allem weil wir nicht einem Plan folgen, sondern wirklich live die Diskussionen führen und den Baum Stück für Stück entwickeln (zum Glück ist dann auch was vernüftiges rausgekommen :)). Basis war, dass wir eine Situation auf der Konferenz analysieren wollten und wir haben dazu auch ein gutes (und amüsantes) Beispiel angenommen: Wir wollten nachweisen, dass Gerhard Versteegen an unserer Müdigkeit und unserem leeren Geldbeutel nach der Havannah-Bar schuld war. Dazu mache ich vielleicht noch einen Making-Of Beitrag :). Im Zweiten Schritt haben dann die Teilnehmer Ihre Eindrücke von der Konferenz verarbeitet. Diese Dreiteilung: “Theorie – Vormachen – machen lassen” ist sehr gut angekommen, wir hatten durchweg ein klasse Feedback.

Dann war sie auch schon vorbei, die Manage Agile. Workshop-Raum aufräumen, nach Tegel durchschlagen, letzte Currywurst vor dem Allgäu und dann mit der ATR-72 zurück nach Hause.

Erkenntnis des Tages: Goldratts Denkprozesse sind wirklich cool. Die Arbeit damit macht Freude und bringt wirklich viele neue Erkenntnisse, wenn man offen dafür ist, das eigene Denken über eine bestimmte Situation zu verändern.

Letzte Currywurst vor dem Allgäu
Letzte Currywurst vor dem Allgäu

 

Fazit Manage Agile 2014

Zwischendurch war ich tatsächlich mal wegen einzelner Vorträge von der Konferenz enttäuscht. Jetzt, nachdem ich über die Summe der vier Tage nachdenken kann, bin ich der Meinung: Die Konferenz ist gut und wichtig. Die Enttäuschung war vielleicht eine überzogene Erwartungshaltung, das Verlangen nach Erleuchtung. Also nach zusätzlicher Erleuchtung zu dem was bei mir schon alles so erleuchtet ist :) Das kann eine solche Konferenz aber nur für Einsteiger in die Materie durchgängig liefern. Bildlich gesprochen: Ich wollte einen Laib Brot mitnehmen, den gab es aber für mich nicht, sondern ich habe viele kleine und große Krümel mitgenommen, die mich in Summe denken lassen: Ja, die Manage Agile 2014 hat mir was gebracht. Damit war ich nicht alleine. Eine ähnliche Veränderung der Eindrücke über die Tage hinweg habe ich bei vielen Teilnehmern in Gesprächen herausgehört, bei Beratern und bei Anwendern.

Neben dem Inhaltlichen möchte ich noch erwähnen, dass die Organisation und die Verpflegung wie immer erste Klasse war, die Veranstalter waren immer gut gelaunt, hilfsbereit und haben vieles Unmögliche möglich gemacht. Auch in der Havannah-Bar. :)

Gerade noch in der Hauptstadt, jetzt wieder zu Hause mitten in der Natur :)
Gerade noch in der Hauptstadt, jetzt wieder zu Hause mitten in der Natur :)

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